Stil hat nichts mit Style zu tun
Stil hat nichts mit Style zu tun

NICE TO MEET YOU, MARLENE SØRENSEN!

Zum Launch ihres zweiten Buches „Woher hat sie das“ treffen wir Marlene Sørensen in Berlin. Wir sprechen über Stil und Persönlichkeiten – den beiden Themen aus ihrem Buch, in dem sie auch PREMIUM GROUP CEO Anita Tillmann porträtiert.

Was bedeutet Stil für dich?

Da fällt mir der letzte Freitagabend ein. Ich war zu einem Dinner eingeladen und lernte eine Frau kennen, die Karriere in der Modebranche gemacht hat und jetzt eine eigene Handtaschenmarke hat. Ich bin zu ihr gegangen und habe ihr gesagt, wie toll ich es finde, was sie macht. Einfach nur so. Sie trug eine schwarze Bluse, eine Lederhose mit einer Paper Bag Waist und eine graue Pilotenbrille. Obwohl ich sie an diesem Abend zum ersten Mal sah, hatte ich das Gefühl, dass das alles für sie steht. Auf dem Dinner waren lauter extrem gestylte Leute, aber diese Frau empfand ich dennoch als eine der stilvollsten Personen dort, weil nichts an ihr verkleidet wirkte. Guter Stil bedeutet für mich vor allem, sich selbst zu kennen und Mode dazu zu nutzen, die eigene Persönlichkeit darzustellen.

Ist das jetzt auch schon die Antwort auf die Frage, was keinen Stil hat? Dass man sich verkleidet?

Ja, wobei ich der Meinung bin, dass man da auch nicht zu streng mit sich sein darf. Man kann auch Trends mitmachen, bei denen man im Nachhinein denkt: Das hätte nicht sein müssen. Ich habe jahrelang Skinny Jeans getragen, um dann festzustellen, dass das einfach nicht der richtige Schnitt für meine Beine ist. Keinen Stil hat für mich vielmehr, zu einem Anlass zu gehen, ohne sich Mühe zu geben. Ich meine damit nicht nur, Dresscodes zu entsprechen. Wenn man beispielsweise zum Abendessen bei einer Freundin zuhause eingeladen ist, ist klar, sie hat sich die Zeit genommen, zu kochen, ihre Wohnung schön zu machen, Kerzen auf den Tisch zu stellen und so weiter. Ich finde, das sollte man honorieren, indem man sich auch Mühe gibt. Man zeigt es unter anderem dadurch, dass man sich ein wenig herausputzt.

Und genau solche Frauen porträtierst du in deinem neuen Buch. Nach welchen Kriterien selektierst du deine Protagonistinnen?

Vollkommen subjektiv. Ich habe Frauen gefragt, von denen ich mehr erfahren und       lernen wollte. Bei Anita Tillmann fand ich es zum Beispiel spannend, wie sie sich durch            ihren Alltag in der Modewelt bewegt. Gibt es Dresscodes? Wenn ja, wie befolgt man  die, ohne den eigenen Stil aufzugeben? Wie geht sie damit um, eine Businessfrau in     einer von Männern dominierten Branche zu sein? Ist das überhaupt ein Thema für sie?           Die Frauen im Buch haben sehr unterschiedliche Stile. Was sie gemeinsam haben,      ist, dass sie nicht nur für einen eigenen tollen Stil stehen und den Leserinnen ganz            praktische Tipps geben können, sondern dass man sich mit ihnen über weit mehr        unterhalten kann als über Mode. Bei den Fotos war es mir deswegen wichtig, die Frauen so zu zeigen, dass sie sich in ihrer Persönlichkeit wahrgenommen fühlen.

 

 

Sie wirken absolut nahbar. Was mir daher schon die ganze Zeit auf der Zunge liegt, auch zum Buchtitel „Woher hat sie das“: Ich finde es wahnsinnig toll, dass du anderen Frauen Komplimente machst und sie so fotografierst, dass sie sich wohlfühlen. Genau das muss man unter Frauen pushen.

Danke für das Kompliment! (lacht) Es ist eben ein Klischee, dass Frauen nicht miteinander können, dass ständig Neid und Konkurrenz herrscht.

Abgesehen von den Frauen, die dir ein „Woher hat sie das?“ entlocken – woher beziehst du deine Inspirationen? Für Deinen Stil, aber auch beim Schreiben und Fotografieren?

Ich merke gerade, wie wichtig es für meinen Kopf und meine Kreativität ist, zwischendrin mal auf nichts hinzuarbeiten. Keine Häkchen auf der To-Do-Liste zu machen. Keinen Auftraggeber zu bedienen. Sondern einfach eine Kamera mit auf den Waldspaziergang zu nehmen, weil ich darauf Lust habe oder einen Text zu schreiben, weil es aus mir raus muss. Mir fällt es nicht leicht, mir die Zeit dafür zu nehmen, da ich das Gefühl habe, eh schon nicht genug zu schaffen und durchaus überfordert bin, allem gerecht zu werden: meiner Familie, meinen Arbeitgebern, meinen Freunden, mir selbst. Ich merke aber auch: Wenn ich mich und meine Bedürfnisse immer an letzte Stelle in dieser Liste stelle, fehlt mir die Energie für alles andere. Mir selbst gerecht zu werden bedeutet auch, einfach mal gar nichts zu tun.

Das ist in Berlin ja nicht so einfach. Trotzdem ist es deine Wahlheimat. Was bedeutet die Stadt für dich?

Vor allem: zuhause. Ich bin jetzt seit zehn Jahren hier und das ist bisher die längste Zeit, die ich irgendwo gewohnt habe, abgesehen von meiner Heimatstadt Stade bei Hamburg. Der Grund, warum ich Berlin noch immer so gerne mag, auch wenn die Stadt mir gelegentlich mit ihrer Schlechtgelauntheit und Wurschtigkeit zu schaffen macht, ist ein Satz, den eine Bekannte mal zu mir gesagt hat: „Du bist hier nie der Letzte, der auf der Party ankommt.“ Für mich heißt das: Jeder ist hier willkommen und kann die Stadt zu seiner eigenen machen. Und es heißt, dass du den nachkommenden Gästen ein guter Gastgeber sein und ihnen die Stadt zeigen kannst, denn dafür bietet sich Berlin einfach an. Die Stadt hat so viel Geschichte und ist dennoch immer in Bewegung nach vorn.

Könntest du dir denn vorstellen, mit deiner Familie woanders zu leben?

Seitdem ich ein Kind habe, phantasiere ich hin und wieder von einem Garten. Besonders wenn ich von meinem Schreibtisch aus auf die vierspurige Greifswalder Straße schaue. Gleichzeitig mag ich es aber auch, in der Großstadt zu leben. Vor kurzem waren wir in London und die Stadt hat sich wirklich von ihrer allerbesten Seite gezeigt, so dass ich plötzlich totale Sehnsucht nach ihr hatte. Das ist aber tatsächlich eine Phantasie, denn ich müsste noch mal auf Banker umlernen, um mir die Stadt leisten zu können.

 Was ist das schönste Kompliment, das du bekommen kannst?

Ein unerwartetes.

Bist du denn auch gut darin, es anzunehmen?

Nein. (lacht) Ich bin eher schlecht darin, Komplimente anzunehmen, weil ich oft denke, ich müsste es doch noch viel besser machen. Aber wenn ich zum Beispiel merke, dass ein Buch, das ich geschrieben habe, jemanden berührt oder unterhält oder ihm weiterhilft, ist das ein wundervolles Kompliment, das ich gerne annehme. Weil es dabei eigentlich nicht um nicht geht, sondern darum, dass sich eine andere Frau durch meinen Text gesehen fühlt.

Was wünschst du dir für die Zukunft?

Den Mut, mich Dinge zu trauen, vor denen ich Schiss habe. Vor zehn Jahren hätte ich zum Beispiel nie damit gerechnet, heute zu fotografieren oder Bücher zu schreiben. Es hat mich richtig Mumm gekostet, zu sagen: Ich probiere jetzt einfach aus, ein Buch zu machen und zwar mit meinen eigenen Bildern. Hätte auch schiefgehen können. Ging es aber nicht. Ich glaube ganz fest daran, dass es sich immer lohnt, etwas zu wagen.



 

Text: Mareike Brünig 

Übersetzung: Kelly Niesen 

Bilder aus dem Buch "Woher hat sie das" Marlene Sørensen